An diesem Freitagabend trafen sich mit dem Journalisten Burkhard Rabe von Pappenheim und Professor Doktor Götze zwei ehemalige ASS-Schüler, um im Foyer der Schule den vielschichtigen Lebensweg des emeritierten Germanisten Revue passieren zu lassen.
Dieser hat ihn von Hofgeismar über Marburg und Bremen schließlich nach Aix-en-Provence geführt, war aber keineswegs so vorgezeichnet. Denn für den Sohn eines Schlossers war allein das 1965 abgelegte Abitur ein sehr unüblicher Schulabschluss, zumal zu dieser Zeit gerade einmal fünf Prozent eines Jahrgangs die allgemeine Hochschulreife erwarben. Daher war er eigenem Bekunden nach auch sehr froh, der Schlosserlehre zu entgehen; einen unbedingten Bildungswillen habe er aber gar nicht gehabt, sein erster eigener Bücherkauf, die Schicksal- und Königsdramen Shakespeares, sei eher vom Preis-Leistungs-Verhältnis motiviert gewesen als von literarischem Verständnis.
Bewusst war dann aber die Entscheidung, nach der Schule die Grenzen Kassels zu verlassen und die Welt kennen zu lernen. So führte ihn angesichts mangelnder Stellen im Schuldienst „die Zufälligkeit der Konjunkturen“ unter anderem nach Bremen, wo wie auch andernorts in den siebziger Jahren eine Universität gegründet und junge Dozenten eingestellt wurden. Mithilfe dieser Flexibilität gelangte er schließlich auch in den französischen Hochschuldienst, wo er zunächst Gastprofessor und dann Ordentlicher Professor wurde, ganz im Sinne einer „mäandernden Bewegung“, wie Professor Götze es selbst formulierte.
Dabei sei auch eine Idealisierung von Frankreich als Gegenbild zur damaligen BRD ein Aspekt gewesen, der ihm die Distanzierung von seiner Heimat ermöglicht habe. Dass diese mittlerweile nicht mehr in Hofgeismar liegt, wurde im Verlauf des Gesprächs deutlich, das auch Bezug auf die Veränderungen in der Stadt nahm, die Professor Götze in seinem Buch Was aus der Heimat wurde, während ich lange weg war literarisch verarbeitet.
Natürlich durfte an dieser Stelle auch der Blick auf das deutsch-französische Verhältnis nicht fehlen, das den Gesprächsteilnehmern aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Nachbarland aus beiden Perspektiven vertraut ist und das sie einmütig als nachbarschaftlich, aber nicht frei von Rivalität kennzeichneten.
So wurden die Facetten eines vielschichtigen Lebensweges in einer angenehmen, unaufgeregten Gesprächsatmosphäre beleuchtet, zu der sowohl die Gelassenheit des Wissenschaftlers als auch die wohlüberlegte Fragetechnik des Moderators beitrug.