Es war ein Nachmittag der besonderen Art im sog. „UNI:Lokal“ in Kassel, bei dem ca. 60 Schülerinnen und Schüler bzw. Studierende über die Plattform des Kasseler Jugendsymposiums die Gelegenheit hatten, in ein persönliches Gespräch mit Prof. Mojib Latif zu treten, der vielen durch Beiträge in Nachrichtensendungen oder als Bestsellerautor bekannt ist. Als Meteorologe, Ozeanograph und Klimaforscher und Präsident der Deutschen Sektion des Club of Rome hat sich Latif vor allem als Wissenschaftsvermittler etabliert. Den Interessierten stand er für fachliche und persönliche Fragen Rede und Antwort. Tuba Ashraf Gujjar (Q1) und Remi Leon Peters (Q3) waren dabei.

Im Zentrum stand zunächst die, jeglicher Vernunft entbehrende und gegen die wissenschaftlich gebotene Priorisierung von Klimaschutz festzustellende Müdigkeit vieler gegenüber dem Thema „Nachhaltigkeit“ und „Klimaschutz“. Diese Müdigkeit erklärte Latif mit dem negativen Framing der Begriffe, die vielfach mit Verzicht und Kosten zusammengebracht und von bestimmten Parteien missbraucht würden. Zudem kursierten unseriöse, pseudowissenschaftliche Diskussionen im Internet, die von vielen ungefiltert verfolgt würden. Er plädierte dafür, den Begriff viel stärker Richtung „Zukunftsfähigkeit“ zu denken, worum es nämlich gehe.
Auf Remi Peters‘ Frage, „Wie machen wir Nachhaltigkeit wieder cool?“, verwies Latif auf die Vorbildfunktion beispielsweise von Profi-Fußballern, die allein schon durch die Wahl ihres Fortbewegungsmittels ihre Umgebung beeinflussten. Wenn diese mit dem Fahrrad zum Training führen, sei von einem positiven Signal auszugehen. Zudem müsse die Politik die Menschen auch in die Lage versetzen, nachhaltig leben zu können, was er am Beispiel der E-Mobilitäts-Infrastruktur im Kontrast zwischen städtischem und ländlichem Raum erläuterte.
Den über 50%-igen Anteil an erneuerbaren Energien in Deutschland wertet er als Erfolg, die wechselnden politischen Rahmenbedingungen jedoch als Hindernis. Sonne, Wind, Erdwärme und Wasserstoff zu nutzen, sei das Beste, was Deutschland machen könne, um eine sichere und kostengünstige Stromversorgung zu sichern. Die Abkehr von den Fossilen und der Ausbau der Erneuerbaren sei nicht nur klimarelevant, sondern auch von großer ökonomischer Bedeutung für die Wirtschaft, ebenso für die Kommunen, die den Umbau in Richtung dieser Zukunftstechnologien vorantreiben müssten. Das Geld dafür sei vorhanden.
Als besonders wichtig wurde von Latif die internationale Zusammenarbeit hervorgehoben, aber auch die Rolle von Schulen, die vor allem die Medienkompetenz schulen müssten, um junge Menschen in die Lage zu versetzen, (pseudowissenschaftliche) Informationen im Internet richtig einordnen zu können. Zudem sollten Schulen Projekte durchführen, die erfahrbar machen, wie Natur funktioniert, denn die Beziehung zur Natur sei bei vielen nicht gut ausgebildet.
Im Gespräch mit seinem Publikum zeigte sich der Preisträger offen und ehrlich, persönliche Ohnmachtsgefühle und Sorgen der Anwesenden nahm er ernst und ermutigte zum Zusammenschluss mit Gleichgesinnten. Er entließ die Zuhörenden mit dem Abschlussstatement: „ Das Unmögliche ist möglich und daran sollten wir immer glauben.“
Katja Bruns
Zum Hintergrund: Das Glas der Vernunft
Am 28.09.25 erhielt Latif im Opernhaus den Kasseler Bürgerpreis das „Glas der Vernunft“. Dieser wird von der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Bürgerpreises „Glas der Vernunft“ seit 1991 an bekannte Persönlichkeiten und Institutionen vergeben, wie beispielsweise Hans-Dietrich Genscher, Edward Snowden, „Ärzte ohne Grenzen“ oder „Reporter ohne Grenzen“. Der Preis würdigt Menschen und Institutionen, die ihren Dienst insbesondere der Aufklärung widmen.
